Die Taverne des Schweigens
Wo morgens noch die Taverne an der Klippe hoch über
Móchlos stand, fanden wir ihn, den Block aus Blei. So
groß wie das Haus und der Garten. Wir klopften. Kein
Hohlraum. Dann rief Psarás uns zur Meerseite und wir
sahen die Faust. Sie ragte heraus und hielt etwas Weißes.
Mit einer Stange fischte er einen Zettel aus den erstarrten
Fingern. Wir lasen:
Jetzt schreien sie alle, lauter als die Zikaden. Alle,
die vorher so fürchterlich schwiegen bis plötzlich das
Zirpen stoppte. Die Strohalme verdorrten als saugten
unsichtbare Münder an ihnen. Etwas wie Blei reicht uns
bis zu den Knöcheln, fest, aber steigend! Mir, meiner
Frau, den Gästen, der Wirtin. Ich hatte meinen Block
herausgezogen und wollte mir einen Einfall notieren,
weil ich dieses Schweigen nicht aushielt. Ja, es waren
die Deutschen! Das junge Paar am Eingang. Schon sein
Blick als wir ankamen, unterwürfig und flehend:
„Sprecht ihr für uns, wir sind hohl und können es
nicht.“ Zweimal stand sie wortlos auf, fotografierte
einen Blumentopf und kehrte mit noch mehr Schweigen
zu ihm zurück. Gut, wir redeten auch nicht miteinander,
aber wir hatten uns schon im Auto gestritten. Das ist
normal, trotzdem trifft uns eine Schuld. Ich kann
nichts mehr tun im Druck dieser Stille. Das Blei
steigt weiter von Rippe zu Rippe. Verdammt, das wird
mein Testament! Schreie ich oder schreibe ich weiter
bis zum bleiernen Ende?
Vor der Katastrophe: Taverna Natural, Móchlos, Kreta
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