München Hohenzollernplatz
Der Postkartenständer steht draußen, aber niemand zu sehen.
Hat die Buchhandlung geöffnet? Keine Aufschrift
auf den Marktständen, doch die italienischen Farben
ziehen sich über die weißen Zelte.
Ein frischer Zebrasteifen, wo früher eine Ampel war.
Blind könnte man jetzt den Weg in den Park gehen,
wäre da nicht noch immer die eine Kreuzung.
Zirruswolken schraffieren den blauen Himmel über dem Obelisken,
ein leichter Wind weht, der Sommerabend ist lau.
Mit nacktem Oberkörper lehnt Rainer Langhans
an einem mächtigen Ahorn. Aus der Ferne
schaue ich seinem Fotografen zu, mache zwei Schritte
und sie sind hinter dem Stamm verschwunden.
Nach den Stürmen des Jahres wurden im Park
drei junge Eichen gepflanzt. Eine verkümmerte,
die anderen tragen Widmungen. Auf einer steht:
„Schließ‘ deine Augen, atme
tief ein und öffne dein Herz…
In Liebe für Ole, deine Eltern“
„Fick sie, Ole!“ ritze ich in die kleine goldene Plakette
und gehe noch eine Weile durch den Park und dann
nach Hause durch die Straße, in der Jutta Winkelmann wohnte.
Eine Trambahn mit Werbung fährt ab und erlöst
den Hohenzollernplatz auch von dieser Bedeutung.
(August 2016 )